Franz Forster, geb. 1940 in Wien, verbrachte Kindheitsjahre auf dem Land; Realgymnasium in Wien, Matura 1958. Studierte ein Jahr Forstwirtschaft an der Hochschule für Bodenkultur, Wien,
anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Dr. phil. 1967. Von 1970 bis 1977/78 Førstelektor für Literaturwissenschaft am Deutschen Institut der Universität
Trondheim (Norwegen), danach als Verlagslektor bei der Verlegergemeinschaft Neues Schulbuch (VNS) tätig, ab 1985 leitender Redakteur der Fachzeitschrift „dialog“. Seit 2003 im Ruhestand. Etwa 30
Jahre in Niederösterreich wohnhaft gewesen, lebt wieder in Wien.
Literaturwissenschaftliche Publikationen:
Forster, Franz: Grillparzers Theorie der Dichtung und des Humors. Herder, Wien 1970
Milletich, Helmut Stefan / Forster, Franz / Milletich, Sabine (Hg.): Beiträge zu einer Literaturgeschichte des Burgenlandes. Band 1: Chronologie. Böhlau Verlag, Wien 2009
Forster, Franz: Abenteuer Lyrik. Ein literaturgeschichtlicher Streifzug durch die Lyrik des Burgenlandes (in Vorbereitung)
Literarische Publikationen:
Mitarbeit und Publikation von Gedichten in der Anthologie „Dichtung aus dem Burgenland“, hrsg. von Klara Köttner-Benigni, Kremayr & Scheriau, Wien 1970
Veröffentlichte die Gedichtsammlung „Raumreihung“ im Sammelband „Kreise – Reihen – Protokolle“, hrsg. von Helmut Stefan Milletich, Burgenland Verlag, Eisenstadt 1972.
Weitere Gedichtsammlungen:
Forster, Franz: Family / Mischpoche. Gedenken – Bedenken. Roetzer, Eisenstadt 2004
Forster, Franz: Fast ohne Mozart … … auch fast ohne Armstrong. Vier-Viertel-Verlag, Strasshof 2007
Forster, Franz: Nordwärts / Städte : Stätten. Literaturedition Niederösterreich, St. Pölten 2011
Forster, Franz: Mozart & Salieri. Ein Roman in Tatsachen. Berenkamp, Wattens 2013
Sweet Lorraine …
Aus einem entlegenen Nest
– ja wo denn?
– in Lothringen
Ach ja, Metz
Das gab es auch einmal
zweisprachig
Sagen wir:
Nicht nur Französisch
– doch eher Deutsch
Also Hertha
Ihr Vater Geschäftsmann
In einer Ausstellung
da sah ich ihr Bild
Ausgeprägtes Gesicht
Dunkel, düster, exotisch
Überaus schön
Sehr fesselnd
War Rotkreuz-Schwester
im Großen Krieg
Grausige Verwundungen
verstümmelte Tote
Schrieb Tagebuch
Ich dachte mir sogleich:
In ihrem späteren Leben –
Was wird aus ihr geworden sein?
Jedenfalls
uns schon vorausgegangen
Aus ihren Tagebüchern
entwickelt
ein Roman
Kathrin zieht in den Krieg
Rührende junge Liebe
von anno dazumal
G’schnappige Dialoge
sogar Belanglosigkeiten
spannend
Der Roman
gut konstruiert
Dermaßen grandios geschrieben
– zutreffend leider auch
Ich konnte nicht weiterlesen
Wie endet es?
Eben:
Wir sind im Krieg
Nicht mehr Hertha
Adrienne
Mußte fliehen
fliehen
im Zickzack
in der Welt umher
Gottlob
Davongekommen
Traf in Amerika
einen bedeutenden
Sozialisten
Politiker, General
österreichisch
Jude
Da dachte ich:
Dachte ich doch …
Meine Begleiterin
sie mußte lachen:
Biographische Erinnerung …
Hertha/Adrienne
Lebte noch lange
starb erst spät
Ihr Mann muß gut zu ihr gewesen sein
Widmete seinem Andenken
ihr erstes Buch
Braves Mädel
Heiratete den zweiten Mann erst dann
nachdem der erste schon gestorben
Hieß dann: Deutsch
Empfing die Taufe
in einer Pfarre
durch einen Geistlichen
mir wohlbekannt
Keine Kinder
Dennoch Jugend-Bücher
Erinnere mich
wie seinerzeit die Titel
In der Autoren-Lesung
die reizende alte Dame
Gesichts-Ausdruck
wonnig
ausgeglichen
Anscheinend hast
das Deine Du getan
Muß einem
erst gelingen
PS: Wohnte zuletzt
in Wien-Grinzing
Ein Lebenslauf
Sweet Lorraine
… Grinzing Himmelstraße
*
Dorfmord
Das ehemals schöne und wohnliche
nun schon jahrelang auf Verfall stehende Haus
wird abgerissen
Der Schutt stürzt nach den Schüssen
nieder in den Graben
Die Füsilierten
Ein ganzes Dorf
Jahrhunderte alte Bauernhäuser
mit Tonnen-, Kreuzgewölben, Graten
buckligen, weißen Wänden
Anbauten
Räume mit Bretterböden („Laden“)
verschieden hoch gelegen
knackende Türschnallen
Stufen
Steintrog („Grant“)
mit plätscherndem Fließwasser
Gemauerter Küchenofen
Platte mit Topfringen
prasselndes Feuer
Im Rauchabzug
kupferner Warmwasserbehälter („Schiffchen“)
Unter dem Herd
Nische mit trocknendem Holz
Füllt alles die Hohlwege
Neue, stillose Wohnschuppen
„Jetzt haben wir’s schön !“
Volksfest.
Es krachen die Böller
*
Heimweh nach der Fremde
Land
das mir in Jahren blieb
Du langer Nächte
Dunkeln
und Lichterblinken
Und auch der Wölkchen
in Lichtschleiern
über mittsommerlichen
Fjorden
Wer ruft nach Deinen ersten Blüten
im späten Frühling
Wer taucht in Deine Wälder
umfangen von Fluchten
uralter Bäume
und nickender Wipfel
Wer begeht Deinen Fels
über stäubendem Moos
aus zerschrammtem Gefälle
bis zu den feuchten Flanken
des Meers
Wer sieht Dein Laub verbuntet
flattern
und die Äste kahl wieder
starren
gefächert
von Schnee.
Wer hat teil
an der Einsamkeit
Es war.
*
Trondheim
Manchmal
gehe ich noch des Nachts
durch mein anderes Leben
Streife am Strand
wandle die Berge
ziehe durch Forst
und münde in Gassen
Wo ich über den Friedhof
am alten Dom
noch kreise
wo mein Schritt in den
Nebengäßchen
mit den Holzbretterwänden
und -pforten
hallt
wo geschnitzte Fronten
gestaffelt
heranstreichen
und mein Auto
am rechten Vorderrad
den Gehsteigrand schon kennt –
fünf Zentimeter daran vorbei
Wo ich über die Brücken gehe im Nebel
und mich Seegefieder umpfeift
und ich sitze wieder
in nun leeren Kantinen
hoch über Universitätsstädten
oder sehe
bekannte Wände
Lichtbündel
auf Bildern
Draußen das Dunkel
und ich, mich wendend,
– schlafend –
*
Franz Forster: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Reinhild Traitler. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-.
Podium (podium porträt 82) Wien 2015. ISBN 978-3-902886-20-0