Beatrix Kramlovsky wurde 1954 in Steyr, OÖ, geboren, studierte in Wien Sprachen und veröffentlichte nebenher Short Storys und Essays in österreichischen und deutschen Zeitungen und Anthologien.
Anfang der 1980er-Jahre begann auch ihre Ausstellungstätigkeit als bildende Künstlerin.
Ein arbeitsbedingter Aufenthalt in Ostberlin (1987–1991) führte zu Publikationsverbot in der DDR und intensiver Auseinandersetzung mit Nischenkultur und Arbeiten zum Begriff Freiheit. Illegale
Ausstellungen folgten in Dresden, die erste Romanveröffentlichung in Österreich.
In der Erwachsenenbildung tätig, Tutorien und Workshops an Schulen und ausländischen Universitäten (vergleichende Literaturwissenschaft und professionelles kreatives Schreiben), als
internationale Literaturvermittlerin am Balkan, im Vorderen Orient, Kuba und Irland.
Zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland, Beteiligung und Organisation von interdisziplinären Kunstprojekten. Begeisterte Reisende und überzeugte Europäerin. Die wichtigsten Themen sind
Ausgrenzungen unterschiedlichster Art, politische, geographische, gesellschaftliche Limitierungen und der Umgang damit – und der gewaltsame Tod.
Mitglied mehrerer nationaler und internationaler SchriftstellerInnen- und KünstlerInnenverbände, unter anderem Podium und AEIP. Von 2009–2013 Mitglied des NÖ Kultursenats.
Preise und Stipendien:
2008 Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur; 2007 Artist in Residence in Paliano/Italien; 2006 Artist in Residence in Boswil/Schweiz; 2003 Hans-Weigel-Stipendium des Landes
Niederösterreich; 1997 Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur; 2004, 2005, 2014 nominiert für den Friedrich-Glauser-Preis für die beste Krimikurzgeschichte im deutschen
Sprachraum.
Einzelpublikationen:
Das Chamäleon (eine surreale Novelle), Wiener Frauenverlag 1990
Eine unauffällige Frau (Erzählband), Literaturedition Niederösterreich 1996
Das Risiko (ein moderner Medea-Roman), Milena Verlag 1997
Angeln in Zwischenräumen (Theaterstück), Literaturedition Niederösterreich 2000
Auslese (Kriminalroman), Literaturedition Niederösterreich 2002
Die Erde trägt ein Kleid aus Worten (Reiseprosa und Skizzen), Literaturedition Niederösterreich 2006
Auslese, produziert als Hörbuch bei Technisat Radioropa 2007
Herausgeberin des Bandes: SDRASTI – Bulgarische Jugendliche stellen sich vor, gesponsort vom österreichischen Unterrichtsministerium und Siemens AG 2008
Die Erde trägt ein Kleid aus Worten, stark erweiterte zweite Auflage mit Skizzen und Fotos, Europa Verlag Zürich 2010
Memoirs of a Vagabond. Die Übersetzung von „Die Erde trägt ein Kleid aus Worten“ von Laura Ackerman in den USA bei Amazon.com online 2013
Der vergessene Name (Roman), Kitab Verlag 2014
Der Roman Invasion der Wünsche erscheint im Kitab Verlag im März 2015, im Sommer 2015 ein Band über Aussteiger und Immigranten in Australien in Deutschland.
Albtraum
An Silberfäden aufgereiht
hingen sie und weinten.
Die Arme zum fahlen Himmel erhoben,
die Beine bebend angezogen
schwebten all die Embryonen,
glitten meinen Söhnen zu.
Und ich lag unter ihnen, zermalmt vom Hungerlärm.
Sah auf zu fremden Kindern.
Gefangen in einem Kokon aus Scherben.
(1982)
*
Jagd
Auf dem nackten Feld
ruckt vor dem Rain aus Zittergras
ein Fasanenkopf hoch
smaragd über leopardig Verflecktem.
Keckernd stiebt er dem Milchhimmel entgegen.
Flügel knicken, büschelweise Federsträuße
hinter einem brüchigen Wall.
Ein Fuchs leckt sich das Maul,
schleppt die Beute eilig davon.
(1992)
*
Unterwegs zum Flughafen
fällt das Wiener Leben von mir ab,
eine Zwiebelhaut der geliebten Sorte,
auf der Höhe der Raffinerie bei den Elefanten und Gasflammen.
Jedes Mal ein Moment aufblitzender Freude,
bereit für die Unannehmlichkeiten des Reisens.
Neugier auf Querverkehr,
Alltag unterwegs, der doch gar nicht so anders ist.
Nur schräger,
weil auch ich mich verrücke.
(1999)
*
Manchmal segelt ein blauer Mond
im Schwefelhimmel über den Kartondächern.
Frauen schleppen Kanister durch Morast zu ihren schäbigen Heimen.
Ein bröckelndes Asphaltband trennt sie von der Straße,
die bequem in die City führt.
Glutbänder zu beiden Seiten der Autobahn.
Eine Feuerschlange frisst sich durchs Unterholz,
bis der aschgraue Smog den blauen Mond erstickt.
Bauern warten mit lumpenverhüllten Gesichtern
vor dem versengten Wald, den schwarzen Hängen.
(Asien 2004)
Im Zug Monat für Monat dieselbe Strecke, morgens dem Westen entgegen.
Abends die untergehende Sonne im Rücken.
An fremden Häusern vorbei, hinter deren Fenstern fremde Leben verlaufen.
Manchmal die Vorstellung, es könnte das eigene sein.
Eine Illusion nur, ein Spiel mit Möglichkeiten
und verwegener Komparserie in einer Biographie der Wünsche.
Der Zug bewegt sich durch eine Wirklichkeit.
(2008)
In Wäldern schlafen
und von Robinson träumen.
An schwarzen Teichen angeln
und Fischgebein vergraben.
Nachts reisen,
wenn in der Dunkelheit jeder Jedermann sein könnte.
Die Wildnis suchen und festschreiben im Herzen,
wenn der Tag nur Sekundenfluchten erlaubt
und ein Buch die Türen dafür öffnet.
(2011)
In Nigeria
Dort, wo die Tage schmerzerfüllte Urnen sind
und Fänger des Leidens auf den harten Böden der Gewalt,
dort, wo der Morgen die Lumpen des Elends entblößt
und Knochenbündel den Weg zu den Konvois der Helfer säumen,
dort weiß ich einen Freund im Federschatten einer Schirmakazie.
Laster, ein Tank, Zelte, ein rotes Kreuz auf Planen.
Verletzte vor blutigen Ärzten, Skalpelle über zerfetzter Haut.
Angstgrimassen,
hinter dem Horizont trommeln die Jäger.
Kriegsbrut nennt sie der Freund, später, daheim, in einer sicheren Welt.
Und abends, sagt er, der Himmel ein Amethyst,
wenn rote Sonnenspeere den Mond verkünden,
das Dämmern im Hunger, das Warten auf Schlaf.
Ein Spitzenbesatz Liebe keimt auf,
Hoffnung, punktgenau wie Sterne.
Träume im Orbit sind die Freiheit der Nacht.
(2014)
In den Gärten weit weg ein Anfall von Sehnsucht nach Eden daheim.
So sammle ich Bilder von grünen Kaskaden
in einem Morgenland botanischer Versprechungen.
Selbst der Smaragdton über dem Spinatgrün am Grunde der Wadis
gerät zum Echo einer vertrauten Blumenwiese.
Ist das Heimweh der Gärtnerin nicht lächerlich?
Monate später umgeben von Ahorn, Birke, Rose und Wein,
Wegbegleiter von Jugend an.
Zuhausesein hat auch
mit dem Wiedererkennen von Blattformen zu tun.
(2008)
Oben über Afghanistan
Über ein Kriegsland fliegen,
über zertrümmerte Häuser und Krale,
in denen sich nichts mehr rührt.
Über Äcker fliegen,
in denen Bombentrichter blühen
und Fliegen reifen in Leichenteilen.
Über Bergrücken fliegen,
in denen Waffenträger zielend hocken
und wutblind neue Tote säen.
Über die Verzweiflung fliegen
im Luftraum, der weit trägt.
Was wünschen Sie zu trinken? fragt die Stewardess.
Und das Inferno verblasst zwischen den kristallenen Gipfeln,
fällt zurück in den Dunst.
(2008)
Den Tod umkreisend in eigenen Geschichten,
ihm eine bunte Fratze malen,
an dem Herzzerreißen der erfundenen Figuren tüftelnd;
es soll ja nicht kitschig sein,
aber erschütternd berühren,
wie es eben notwendig ist aus der Schöpferperspektive,
in der ich herumschiebe auf dem Spielbrett und Schicksal spiele,
und das einzige, was es zur Wirklichkeit macht,
wird die Sprache sein, die ich dafür finde.
(2013)
Beatrix Kramlovsky: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Barbara Neuwirth. 64 Seiten, ill., Euro 6,-. Podium (podium porträt 79) Wien
2014. ISBN 978-3-902886-16-3