Otto Laaber wird am 28. Oktober 1934 als Sohn einer Bauernfamilie in Klosterneuburg geboren. Sein Heimathaus steht in Langenlebarn, einem Dorf im Tullnerfeld. In Tulln besucht er acht Jahre lang
das Realgymasium. Nach der Matura beginnt er im Wintersemester 1952/53 ein Studium der Psychologie und Völkerkunde an der Universität Wien. Da er sich außerstande sieht, nach Wien zu übersiedeln,
führt er fortan ein Pendlerdasein. Ein Stipendium ermöglicht ihm 1955/56 einen einjährigen Studienaufenthalt in den USA. Wieder zurückgekehrt, beginnt er eine Doktorarbeit aus Psychologie,
beendet sie aber nicht, sondern sattelt überraschend um und versucht, in einem kaufmännischen Beruf Fuß zu fassen. Es bleibt beim Versuch - und er bleibt ein Lernender, nimmt ein neues Studium
auf, diesmal Geschichte und Anglistik, führt weiterhin ein Pendler- und Schattendasein.
Zwischen 1952 und 1959 veröffentlicht Laaber regelmäßig Lyrik und kurze Prosa in der Wiener Zeitschrift "Neue Wege", der wichtigsten Plattform für den literarischen Nachwuchs jener Jahre, und
nimmt zweimal an den Österreichischen Jugendkulturwochen in Innsbruck teil, in weiterer Folge zieht er sich jedoch mehr und mehr zurück, veröffentlicht Jahre lang nicht einen einzigen Vers. Erst
um 1972 tritt er wieder in Erscheinung, mit neuen Gedichten, und wird Mitglied des Literaturkreises PODIUM.
Unter gleichaltrigen Kollegen geschätzt, findet er zeitlebens keinen Verlag, bleibt ohne nennenswerte öffentliche Anerkennung, isoliert und marginalisiert. Nicht ganz 39 Jahre alt, nimmt er sich
am 15. Juli 1973 das Leben. Postum erscheint, herausgegeben von Alfred Gesswein, eine kleine Auswahl seiner Gedichte unter dem Titel "Inventur" (Grasl Verlag, 1976)
Als wir den Tee getrunken hatten
Als wir den Tee getrunken hatten
fingen wir an uns auseinanderzusetzen
und von eigener Meinung zu schwätzen
und die Hungrigen waren überlegen den Satten.
Aber nur überlegen im Reden
denn dann gaben ihnen die Satten zu essen
und die Gegensätze waren vergessen
und vergessen waren die Fehden.
*
Die Reise mit den Vögeln
Gefreiter Kohler,
erst frisch an der Front,
verlernte das Schießen
und das Marschieren
rascher, als es gelernt war.
Sein Mädchen in der Stadt
hörte auf, ihm zu schreiben.
Als der Schnee schmolz,
reiste er am Boden der Flüsse
südwärts.
Nach Norden, Westen und Osten
reiste er in den Mägen der Vögel
und sah mehr von der Welt
als du oder ich.
*
Garten
Da war also der Garten
- wer weiß, was dort jetzt ist -
mit Ästen voll Kirschen, Gras und
weißem Sand, oh, ganz weißem Sand
zum Spielen.
Da waren auch Sträucher
mit glänzenden Beeren,
roten Beeren und giftig,
und da war auch
die Schaukel, oh,
unsere große Schaukel,
die Pflaumen und
die Eidechse, die ihren Schwanz verlor.
Abends dann fingen wir
die kleine Katze,
kleine Katze ohne Zuhause.
Aber am Morgen lief sie uns weg.
Das war also damals.
Wen kümmert das heute,
ein Garten und
verschiedenes Obst?
Wir haben uns selber
verloren, wie die Eidechse
ihren Schwanz verlor,
wie die kleine Katze
am Morgen entsprang,
so sind wir uns selber
längst entsprungen
und suchen uns manchmal
in früheren Tagen,
in allem, was war. -
Aber man sieht,
das viele Reden macht traurig.
Knecht und Magd
Der junge Knecht geht in den Wald
und pfeift zur Axt, die weithin hallt.
Im Alter sitzt er auf der Bank
und hustet viel und fühlt sich krank.
So wird man eben alt!
Die junge Magd versorgt den Stall,
im Hause ist sie überall,
im Alter sitzt sie auf der Bank
und ißt halt nichts und fühlt sich krank.
So wird die Suppe kalt.
*
Unsere Träume
Unsere Träume sind Landschaften,
die wir im Schnellzug durchreisen,
Ebenen, steinig und weiß,
Hochländer, bucklig und kahl.
Voll riesiger Kakteen sind die Täler
und kleine Vögel singen aufgespießt an ihren Stacheln,
und stille weiße Mäuse huschen durch die Schatten -
Weit fahren die Züge des Schlafs,
doch wenn es Tag wird, sind unsere Reisen zu Ende
und die kleinen Vögel erwachen
und fallen tot in das Gras.
*
Von fremden Schüsseln
In der Schüssel deines Nachbarn
ist immer etwas zuviel.
Warum hat er mehr?
Wer gab ihm dazu das Recht?
Selbst wenn deine eigene Schüssel
voll ist bis zum Rand
(und dein Magen dazu),
immer findest du noch einen Andern,
der ein wenig mehr hat als du.
Und das ist gut so,
denn dann brauchst du jene nicht zu sehen,
die froh wären, wenn sie soviel hätten wie du,
und du kannst dich unter sie mischen,
guten Gewissens,
und den Ankläger spielen.
Hoch lebe darum der Mann,
in dessen Schüssel n o c h mehr ist,
denn aufrichtig, Freund, was tätest du ohne ihn?
Wen würdest du anklagen, wenn er nicht wäre?
Dich selbst?
*
Ostererlebnis
Die Eisenbahnschaffner tun ihre Pflicht,
durchlöchern höflich Fahrkarten.
Die Bombenleger hingegen
sind ins Grüne gefahren.
Generaldirektoren plaudern mit kleinen Nagern.
Bleibt ein Problem: die Menschen.
Man vermutet: es gibt sie.
Wieder einmal ist alles zum Besten.
*
Otto Laaber: Ausgewählte Gedichte 1952-1973. Hg., Vorwort: Christian Teissl. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (podium porträt
67) Wien 2012. ISBN 978-3-902886-00-2