Eleonore Zuzak wurde am 16.10.1925 in Wien geboren und mußte aus wirtschaftlicher Not - der Vater war acht Jahre arbeitslos - nach Beendigung der Pflichtschulen entlohnte Arbeit annehmen, zuerst
als Bürokraft, dann als Kanzleileiterin in einem Rechtsbüro, nach 1945 bei der Städtischen Versicherung, zuletzt als Abteilungsleiterin. Erste Veröffentlichung in der Zeitschrift "Neue Wege"
1951, Förderung durch Hermann Hakel und Rudolf Felmayer. Ab 1997 war sie ehrenamtlich für den Österreichischen Schriftstellerverband tätig.
Bücher u. a. Veröffentlichungen:
Zwischen zwei Zäunen. Lyrik. Heimatland Verlag, Wien 1972
Diese Lesekiste. Kinderbuch mit Gedichten, Geschichten, Dialogen, Rätseln. Verlag Herder, Wien 1986
Leih mir dein Ohr. Lyrik und Kurzprosa. Anna Pichler Verlag, Wien 1993
Einander. Lyrik und Kurzprosa. Anna Pichler Verlag, Wien 1996
Von der Hand in den Mund gelebt. Prosa und Lyrik. Edition Doppelpunkt, Wien 1997 (2. Aufl. 1998, 3. Aufl. 2005)
Erfahren, erlebt, erdacht. Prosa, Dialoge, Lyrik. Edition Doppelpunkt, Wien 2000.
Als Herausgeberin für den Österreichischen Schriftstellerverband:
Vom Wort zum Buch. Lyrikanthologie. Edition Doppelpunkt, Wien 1998
Gedanken-Brücken. Prosaanthologie. Edition Doppelpunkt, Wien 2000
Kaleidoskop. Lyrik- und Prosaanthologie. Edition Atelier, Wien 2005
Ferner Beiträge in rund 60 Anthologien und Schulbüchern im In- und Ausland, Puppentheater-Aufführungen, CD "Leih mir dein Ohr" (Harmonica Classica Records 2006) sowie Hörspiele u. a. im
Österreichischen Rundfunk
Mitgliedschaften:
Österreichischer P.E.N. Club, Österreichischer Schriftstellerverband (1977 bis 2009 im Vorstand, seit 2003 Ehrenmitglied), Gesellschaft der Lyrikfreunde, Kulturgemeinschaft Der Kreis, IG
Autorinnen Autoren, Literaturkreis PODIUM, einige Jahre Wiener Frauenverlag sowie NIPPON Österreichisch-Japanische Gesellschaft
Preise (Auswahl) und Auszeichnungen:
Hörspielpreis Radio Wien 1977 und 1978; Wettbewerb des Österr. Gewerkschaftsbundes "Lied der Arbeit" 1980; Puppenspielwettbewerb des BM f. Unterricht u. Kunst 1981 (2. Preis); Anerkennungspreis
der Steiermärkischen Landesregierung 1983 (für ein Kinderbuchmanuskript); Anton-Krutisch-Wettbewerb für Prosa 1984 (2. Preis); Anerkennungspreis beim Bettina-von-Arnim-Wettbewerb 1993; Goldenes
Verdienstzeichen der Republik Österreich 1995; 1. Preis beim Österr. Haiku-Wettbewerb 1997; Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien 2002; 1. Preis beim Luitpold-Stern-Förderungspreis für Prosa
2003; Leserpreis der Gesellschaft der Lyrikfreunde 2003
Unter der Sonne liegen
Unter
der Sonne liegen.
Langsam alle Depots
leeren.
Netze auswerfen
und neue Reserven
anlegen.
Nicht gelten lassen
Raster,
Maße,
Gewichte.
Frei sein,
der inneren Stimme
gehorchen.
Nicht zu erklären
versuchen
wortlose Liebe.
Ablegen
den Widerstand.
Vergessen
die Bedenken,
die Bedingung,
das Nein.
*
Die Zeichen
Ich habe
die Zeichen
verstanden,
doch helfen
kann das
Verstehen
nicht.
Am schwersten
von allen
Lasten
trägt sich
Verzicht.
*
Uns, die wir schreiben
Uns, die wir schreiben,
ist es bestimmt,
aus gesprungenen Krügen
zu trinken,
leere Kelche zu füllen,
vor Rissen zu warnen,
die Hunde zurückzupfeifen,
eine Erklärung
für ihr Gebell zu suchen,
auf dem Papier
die Welt aus den
Angeln zu heben
oder nur einen Gedanken
zurechtzurücken,
für das Versiegen von Quellen,
das Platzen von Seifenblasen,
für das unpassende Stichwort
eine Erklärung zu finden,
auch wenn sie um einen Schmerz
schmerzhafter ist für uns,
die wir schreiben.
*
Wir konservieren
Wir konservieren
Gemüse,
damit wir nicht hungern müssen,
morgen.
Wir konservieren
Gefühle,
damit wir Freunde haben können,
morgen.
Wir konservieren
Parolen,
damit wir bleiben können,
morgen.
Wir konservieren
Gedanken,
damit wir uns erinnern können,
morgen.
Wir konservieren
auch Liebe,
als ob wir sie nicht verschenken könnten,
heute.
*
So eine brave Frau,
macht keinen Staub,
keinen Lärm,
hat keinen Streit,
keine Schulden,
verlangt weder
Hilfe noch Dank,
schreibt
keine Beschwerde.
Ein ganzes Jahr
fällt sie nicht auf,
fehlt sie keinem.
Und wenn nur
e i n e r
gefragt hätte,
ob sie noch lebt,
lebte sie noch.
*
Unter uns
Unter uns
sind noch zu viele
über uns.
Das ist schlecht
für uns.
Entweder treten
oder leugnen
sie uns.
Über uns
scheiterten viele
ohne uns.
Das ist gut
für uns.
Sie lernen
und leben von uns,
brauchen uns.
Die Frage ist,
wie bringen wir sie
neben uns?
*
Des Hobby in di Dreißgerjoar
Mei Vata woar
a Radiobastler.
Zu derer Orbeit
braucht ma Zeit.
De hot er ghobt
in Ibafluss
in oacht Joar
Orbeitslosigkeit.
Mei Vata woar
a Radiobastler.
Zu so an Hobby
braucht ma Göd.
Des hot eam oba,
wia i waß,
ocht Joar laung gföt.
Drum haum mir nie
a Radio ghobt,
des wirkli spüt.
Ma mocht si von
an Radiobastler
goar oft a
foisches Büd.
*
Folklore
Ein Foto,
noch eines
von diesem
Motiv,
von diesem
faszinierenden
Fremden.
Zu Hause,
nach der
Entwicklung
des Films,
nach dem
Einkleben
der Fotos
ins Album,
an der Ecke
wieder
ein Fremder,
so nahe,
so fremd,
und doch
kein
Fotomotiv.
*
Schlußfolgerung
Es gibt eine wichtige Frage
in unserer Arbeitswelt,
doch der, der sie auf der Zunge hat,
hat sie noch nicht gestellt.
Die Frage wäre so einfach:
WAS HABT IHR MIT MIR VOR?
Der, dem sie am Herzen liegt,
schweigt und hat Angst davor.
Aus diesem Schweigeverhalten
ziehen die Großen den Schluß,
daß ungefragte Fragen
keiner beantworten muß.
*
Da Horizont
Um vierzehn Schilling
Orbeitslosngöd
für vier Personen
kriagt ma nur
a ganz a klanes Stickerl Wöt.
Und waunn ma no dazua
im Köller wohnt,
do kriagt ma nur
an gaunz an klanan Horizont.
A so a Aufaung
hängt wia Pflosterstana
a Lebn laung
an unserana.
*
Schuiweihnachtsfeier
I hätt so gern
den Engl gschpüt,
min weißn Kladl.
Bei jeder
Weihnachtsfeier
woar i
des oarme Madl.
I bin so schee
vahungert,
so schee dafrurn
im Woid.
Des woar net schwer
zum Lerna,
des kaunn
a Oarma boid.
*
Geburtstag
Das
Spiegelbild
befragt.
Der
Lüge das Wort
erteilt.
Zurückgeschwiegen.
Das
Fenster
geöffnet
und resümiert:
die
Straße ist
kürzer geworden.
*
Eleonore Zuzak: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Sidonia Binder. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (podium porträt 53), Wien 2010.
ISBN 978-3-902054-81-4