Elisabeth Schawerda wurde am 20. April 1940 in Bad Vöslau in Niederösterreich geboren und wuchs in Sooß bei Baden auf. Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Drei
Kinder. Mitarbeit bei verschiedenen Kulturzeitschriften (Morgen, Furche, Wiener Journal etc.). Schwerpunkte ihrer literarischen Tätigkeit: Essay und Lyrik. Lebt in Wien und Venedig.
Bücher:
Die Luft ist voller Gedanken. Gedichte. Edition Atelier 1989
Schlemihls Tochter. Gedichte. Edition Atelier 1991
Die Einladung der Wände. Gedichte. Verlag Der Apfel 1997
Nomade in meinem Haus. Gedichte. Edition Tusch 2000
Penelope webt nicht mehr. Gedichte. Edition Thurnhof 2000
Morgenrot an der Wand. - Aurora sulla parete. Gedichte (deutsch-italienisch). Edition Doppelpunkt 2003
Serena Serenissima. Gedichte. Edition Thurnhof 2004
Hora felix. Gedichte. Edition Koenigstein 2005
Echo. Gedichte. Literaturedition Niederösterreich 2006
Engel der Lagune. Neue Gedichte aus Venedig. Edition Thurnhof 2009
Persephones Spuren. Gedichte. Edition Koenigstein 2009
Preise u.a.:
Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich; Verleihung des Franz-Karl-Ginzkey-Ringes
Mitgliedschaften:
Literaturkreis PODIUM, Österreichischer Schriftstellerverband und Österreichischer P.E.N. Club (Vorstandsmitglied)
Auf blankem Boden
Auf blankem Boden zur Nacht gebettet
den zerschossenen Tiefschlaf der Kindheit
bei Sesselbeinen
unter Stimmengewirr
hart hinterm Absatz
der Männerfüße
Dies war nicht die Zeit
eines Kindes zu achten
und daß es hart hinterm Absatz
der Männerfüße
unter Stimmengewirr
bei Sesselbeinen
schläft den zerschossenen Schlaf seiner Kindheit
zur Nacht gebettet auf blankem Boden
*
Meiner Mutter
Ohne dich ist alles größer
um ein steiniges Feld
Die Welt bricht ab von mir
und rollt sich hart auseinander
Du ziehst mich höher an den Ort
den du verließest
Nun sehe ich tiefer
Ohne dich steht mein Gewissen
schärfer gegen den Wind
Eine Wand des Verstehens
ist eingestürzt
Ich bin allein
*
Maximen
Sei höflich.
Sei freundlich.
Sei rücksichtsvoll.
Wehr dich.
Setz dich durch.
Schlag zurück.
Von den Altären unserer Väter
Abel und Kain
steigt Opferrauch auf und erstickt
die Stimme der Mutter, die sagt:
sei glücklich.
*
Weinlese
Traubensüße benetzte die Flur
und die Wege ins Dorf zu den Pressen
Das Weinlaub im herbstlichen Welken
gab seine letzten Aromen frei
komponiert aus allen Essenzen der Landschaft
In den Kellern brach die kindliche Klarheit des Mostes
und schäumend begann die Verwandlung
brausend wie die Muschel am Ohr
in der man das eigene Blut rauschen hört
Warm wie Tiere wurden die Fässer
und der Bottich mit purpurfarbener Maische
Der Abend warf seine Kühle über das Dorf
und all die Düfte tagsüber im Sonnenlicht schwebend
und aufgelöst im Oktoberblau
lagen nun schwer wie ein atmender Leib
über Häusern und Straße
Einzutauchen in die prickelnde Luft
unter den alten Kastanienbäumen
am Heimweg abends von Schule und Stadt
Das Kühle und Warme körnig und unvermischt
auf der Haut fremdartig wie Fieber zu spüren
und zu gehn in der Dunkelheit zwischen erleuchteten Höfen
aus denen die Stimmen der Arbeit drangen
und die fruchtschweren Dünste der Gärung:
Betäubt und erwachend - berauscht
So traf das wilde Geheimnis des Lebens die Blutbahn damals
der triumphierenden Sinne der Kindheit
und ihr Hinübertanzen und -taumeln ins Neue
*
Das Alter
Ohne anzuklopfen tritt es ein
Kein Gast
Ab jetzt ein Mitbewohner
Wir beachten ihn nicht
Vergessen ihn oft
Verstecken ihn manchmal
Noch passt er nicht
zu uns
*
Brot Salz Wein
Brot auf irdenen Tellern
auf Weidengeflecht
auf steinernen Tischen
auf linnenen Tüchern
unter Bäumen auf narbigem Grund
Salzrosen blühn auf verkrusteten Wangen
in Augenwinkeln im Haar
aus der Hitze gebrochenes Salz
und Salz aus eisigen Nächten
Der Wein ist verschüttet
versickert im Karstgestein
die Trauben vertrocknen am Berg
die Reben verdorren
Scherben aus Ton zertrampelte Felder
kein Tisch kein Linnen
die Bäume gefällt zur Kriegswinterzeit
Beißende Flucht an zerborstenen Mauern
fremdes Brot in Kinderhand
keine Ernte gekeltert
keine Gärung geklärt
kein Glas erhoben
auf dieses Land
*
Elisabeth Schawerda: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Elfriede Bruckmeier. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (podium porträt 51),
Wien 2010. ISBN 978-3-902054-79-1