Waltraud Seidlhofer wurde am 26.11.1939 in Linz geboren. Nach der Matura 1957 war sie bis 1994 als Bibliothekarin tätig. Seit 1961 Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Anthologien
(Österreich, Schweiz, Deutschland, Tschechien, USA …) sowie im Rundfunk. Kulturjournalistische Tätigkeit; Grafische Texte, Texte zu Bildern. Viele Reisen: in europäische Städte, nach Südafrika,
in die USA, nach Hawai und Samoa, auf die Fidschi-Inseln, nach Australien, Kuba … längere Aufenthalte in Neuseeland 1997, 2001/02 und 2006.
Bücher:
bestandsaufnahmen. Gedichte. Kulturamt Linz, Linz 1971
fassadentexte. edition neue texte, Linz 1976 (später: Literaturverlag Droschl, Graz)
geometrie einer landschaft. edition neue texte, Linz 1986 (später: Literaturverlag Droschl, Graz)
bild/er/betrachtungen. eine serie. Bibliothek der Provinz, Linz-Weitra 1989
bruchstuecke, variationen. Bibliothek der Provinz, Linz- Weitra 1991
zeit. staedte. spiel. eine sammlung. Edition Pangloss, Wels 1994
anstelle von briefen. ausgewaehlte lyrik 1967 - 1992. Blattwerk, Linz-Wien 1994
la(e)ser gedichte. Blattwerk, Linz-Wien 1996
text. ein erinnern. Blattwerk, Linz-Wien 1999
te anau. wilderness. zeilen. Grasl Verlag, Baden 2001
Wellington oder der private Versuch, eine vorübergehende Gegenwart zu beschreiben. Edition Pangloss, Wels 2002
gehen. ein system. Ritter Verlag, Klagenfurt 2005
boote in den museen. Mitter Verlag, Wels 2008
Tage, Passagen. Prosa. Klever Verlag, Wien 2009
Petra Ganglbauer, Waltraud Seidlhofer: Lippenverreißung, (k)ein klang. edition gegensätze, Wien-Graz 1998
Hörspiel:
Protokoll einer Landschaft, ORF 1984
Preise:
Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Literatur 1991; Kunstwürdigungspreis der Stadt Linz 2000; Heimrad-Bäcker-Preis 2008
Mitgliedschaften:
Künstlervereinigung MAERZ, Grazer Autorinnen Autoren Versammlung, Österreichischer Schriftstellerverband, Literaturkreis PODIUM
so ein fundstueck:
die landungsstege,
spaene und bretter,
von wasser bedeckt.
von den huegeln
haengen die seile
leitungsdraehte
ein abgelegener ort
an den stadtrand gerueckt
zwischen hanf und den halmen
inselbrocken
und ufer
und meer.
pinguine
und dazu
der geometrische ginster,
weich und staubig,
die beruehrung von gelb.
*
skizzen, entwuerfe,
aus dem gedaechtnis:
ueber die schirme
laufen die schnitte,
uebereinander
geschichtete namen
und die fahrige zeichnung,
verstoert.
so als stellten sie selbst sich
in frage
treten woerter
aus den passagen
ziehen sich
von den schemen
zurueck.
spiegelstuecke
schwappen ans ufer
ausgegraben
mit geschichten gefuellt.
*
oder nur
fiktion
dieser baum diese nadel
die perle das holz
ein stueck eisen
oder auch stoff
je nach ansicht, gedreht
"kroch sehr dunkel der wind", ein zitat
und die kiesel,
spitzer vokal.
zog die bruecke die strasse zum meer
folgte die beschreibung der linie,
glitt ganz einfach
die straende entlang
reste von blaettern
die aestchen verzerrt
und die beine die knochen
ein spiel
so geordnet
brechen die adern
und die rispen
verworrenes laub
wo sich die plaketten befinden
schoen gezeichnet
verziert ziseliert
*
an den ecken
lehnen die dinge:
schleifspur, kindheit, asphalt
glas und kanten und wasser
all das bunte, gemischt
und im ruecken das meer
scherenschnitt, schiff
anlaut und reim
rost auch, und rollen,
und so weiter, gereiht.
von den augen
schieben die haende die bilder
abgespult, ein wenig zerstreut
so als glitte das gedaechtnis zu schemen
fremdwort, zerkleinert,
und ohne bedacht
*
ueber distanzen hinweg
werden beziehungspunkte fixiert
abfall von huegeln
und ineinander geschichtete kuppen
nach formationen gereiht.
auch an rauch kann man glauben
und das feine gespinst aus den mooren
unterirdische stroeme
wasserlandschaft
und das klopfen des meers am geroell.
versatzstuecke, diese bezeichnungen
um vorstellung zu erreichen, fiktion
abgewandelter hauch
der nicht uebersetzbar
nur die folge von lauten erwaehnt.
dazu dann die grafischen klaenge
an denen sich silben versuchen
durcheinander gewuerfelt geworfen
und mit beiden händen
verwischt.
*
gehen
in vertrauten begriffen
fluchtpunkt perspektive distanz
um die ebenen auszuloten die wiesen
und die silhouetten von dingen
in der zeichnung dem bild.
woertersammlung
zwischen schimmern und schein
in die landschaft gepasst
in entwuerfe
wortgeflechte
nach vokalen gereiht.
Waltraud Seidlhofer: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Christian Steinbacher. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (podium porträt
48), Wien 2009. ISBN 978-3-902054-75-3