Marianne Gruber wurde am 4. Juni 1944 in Wien als Tochter von Herbert Wurzinger (Lehrer für Musik, Kunsterziehung und Deutsch, Maler sowie Organist) und Anna Wurzinger (Lehrerin zuerst für
Russisch, dann für Hauswirtschaft und Handarbeiten) geboren. Kindheit im Burgenland (Bernstein bzw. Dürnbach/Schachendorf am Bauernhof des Großvaters), Volksschule bereits in Wien, Besuch des
humanistischen Gymnasiums Amerlinggasse, nebenbei 1958 Aufnahmsprüfung am Konservatorium der Stadt Wien. Matura 1962, im Herbst Beginn des Medizinstudiums. 1964 Begegnung mit Peter Gruber, Heirat
1966; 1968 Geburt der Tochter Marianne Christine, 1971 des Sohnes Peter Herbert. Literarische Publikationen seit 1972, erste eigenständige Buchpublikation 1981. Kontakt mit Viktor Frankl.
Mitgliedschaft bei der Grazer Autorenversammlung bis zum Ausschluss 1988, da sie auch P.E.N.-Mitglied geworden war. Mitglied beim Literaturkreis Podium, auf Alois Vogels Wunsch zwei Jahre lang
dessen Obfrau. Sechs Club-2-Moderationen zwischen 1985 und 1986. 1992 fragt Wolfgang Kraus an, ob sie Lust hätte, seine Nachfolgerin in der Gesellschaft für Literatur zu werden. Nach einer
Probezeit übernimmt sie 1994 die Leitung der ÖGfL.
Preise, Auszeichnungen:
Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst 1981, Preis des Staatssekretariates für Frauenfragen 1981, Literaturförderungspreis des Landes Niederösterreich 1982, Publikumspreis der
Arbeiterkammer Oberösterreich 1984, George-Orwell-Preis der Stadt St. Pölten 1984, Lyrikpreis der Literarischen Gesellschaft St. Pölten 1986, Otto-Stoessl-Preis 1986, Kurzgeschichtenpreis der
Literarischen Gesellschaft St. Pölten 1988, Staatsstipendium des BMUK 1990, Jugendbuchpreis der Stadt Wien 1992, Premio Giuseppe Acerbi/Italien 1996, Würdigungspreis für Literatur 1997;
Ehrenprofessur der Universität Nishni Nowgorod 1997
Mitgliedschaften:
Von 1980 bis 1988 Mitglied der GAV, seit 1986 Mitglied des Österreichischen P.E.N.-Clubs. 1991 bis 1994 Obfrau des Literaturkreises Podium, Präsidentin des Sozialfonds der LVG, im Aufsichtsrat
der Literar-Mechana, Vizepräsidentin der Alexander-Lernet-Holenia-Gesellschaft, der Schnitzler-Gesellschaft, Präsidentin des Werfel-Komitees, Vizepräsidentin der Manés-Sperber-Gesellschaft, im
Beirat der Musilgesellschaft sowie des Forums Alpbach, seit Jänner 1994 Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur.
Veröffentlichungen:
Die gläserne Kugel. Utopischer Roman. Styria Verlag, Graz, Wien und Köln 1981 (Nachdruck als Taschenbuch bei Suhrkamp 1984)
Protokolle der Angst. Verlag NÖ Pressehaus, St. Pölten und Wien 1983
Zwischenstation. Roman. Edition S - Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1986 (Nachdruck als Taschenbuch bei Suhrkamp 1988)
Der Tod des Regenpfeifers. Zwei Erzählungen. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1991
Windstille. Roman. Edition S - Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1991
Esras abenteuerliche Reise auf dem blauen Planeten. Jugend & Volk, Wien 1992
Die Spinne und andere dunkelschwarze Geschichten. Edition LerchenStein, Vaduz 1995
Ins Schloß. Roman. Haymon Verlag, Innsbruck 2004
Magie der Worte III. (Gemeinsam mit Helmuth A. Niederle.) Edition Koenigstein, Klosterneuburg 2007
Ich weiß nicht, ob wir sind. Gedichte. Politologi Verlag, Tbilissi 2008 (deutsch - georgisch, Übers.: Dato Barbakadse)
Zahlreiche belletristische und essayistische Beiträge erschienen in Anthologien, Literaturzeitschriften, Magazinen und Zeitungen sowie im Rundfunk. Ihre Bücher wurden ins Englische, Italienische,
Tschechische, Slowenische, Bulgarische, Polnische, Russische, Chinesische, Slowakische, Rumänische, Albanische, Türkische, Georgische und Hindi übersetzt.
Außerdem war Marianne Gruber als (Mit-) Herausge-berin tätig: "Podium" 1990 bis 1992; In anderer Augen, Klagenfurt 1997; Verschlossen mit silbernem Schlüssel, München 2000; Frauen sehen Europa,
Wien 2000; Elias Canetti und Hermann Broch {Schriftenreihe der Elias-Canetti-Gesellschaft, Band 5}).
Weitere, ausführliche Informationen über das Werk von Marianne Gruber finden sich auf www.mariannegruber.co
Freiheit 1968
1
Widerstand der Vögel.
Unter Führung des Adlers
im Steinhang
Partisanengruppen von Geröll.
Seit gestern kreist die Sonne
über Schattenfelder
und sammelt
die späten Züge
der Schwalben.
Bestrafte Ohren
als erste Warnung.
Geknechtete hoffen heimatlos.
Generalstreik des Schweigens.
Stimmlos
flüchtet die Lerche,
der Wald
duckt sich,
das Gebirge zieht aus.
Wir folgen der Flucht
- sie entgeht uns -
und lächeln, lachen
in der untersten Ecke des Mundes.
Schon zweitlang ertaubte Ohren
landen seit ewigen Nächten nicht mehr.
Geknechtete nehmen wieder die Ketten,
der Aufstand der Vögel
betrifft nur
erstorbene Monde.
*
Nackt
wie der unbekleidete Morgen
wie Haus, Straße und Rose
am Anfang der Zeit.
Kein Bild mehr von dir.
Nur Haus
Straße
Rose
und Angst.
*
Für Ilse Tielsch
Nicht beweisbar
sind unsere Warnungen
vor der Springflut der Worte,
der Tollheit der Macht.
Daß wir bezahlten,
zählt längst nicht.
Unsere Spuren im Sommerstaub
scheinen wirklicher als wir.
*
Kein Wort das hinreicht.
Ausgedörrtes Land,
verwischte Spuren und Geruch nach Tod.
Nicht Ares, der Gewaltige,
- immerhin noch ein Gesicht -
und keine Schönheit, die zerstört,
ein Rechenplan bloß
und genügend Wahnwitz,
gläubig angenommen: Krieg.
*
Sie sagen mir
du kommst nicht wieder.
Kein Stern hat dich geholt,
kein Falke,
nichts, das unvermeidbar ist.
Nur einer, der vorm Tor stand,
eine Fackel in der einen Hand
und in der andren ein Gewehr.
Vom Haus steh'n noch die Mauern,
ein Sessel vor der Tür, der wartet.
Deine Schuhe fanden wir im Wald.
*
So wenig wie die Bomben
Gnade kannten
und die Schlächter Mitgefühl
werden jene Gnade kennen,
die in Höhlen überlebten,
unter Steinen, Schutt,
im Frost.
Der Krieg gewinnt.
*
Marianne Gruber: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Barbara Neuwirth. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (Podium Porträt 45),
Wien 2009. ISBN 978-3-902054-71-5