Hans Heinz Hahnl wurde am 29.3.1923 in Oberndorf/NÖ geboren. Gymnasium in Krems und Wien. Nach 1945 Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Promotion zum Dr.
phil. mit einer Dissertation über "Karl Kraus und das Theater". Journalist und Schriftsteller, zuletzt Leiter des Kulturressorts der "Arbeiterzeitung" und Theaterkritiker der "Bühne". Herausgeber
mehrerer Anthologien u.a. zur österreichischen erotischen Literatur. Herausgabe und Nachwort zweier Bände der gesammelten Werke von Robert Müller. Verleihung des Professorentitels 1981.
Bücher
Die verbotenen Türen. Erzählungen. Verlag Jungbrunnen, Wien, 1952 (Junge österreichische Autoren 8)
Der byzantinische Demetrius. Drama. Bergland Verlag, Wien, 1972 (Profile und Facetten 5)
In flagranti entwischt. Grasl Verlag, Baden, 1976 (Lyrik aus Österreich 1)
Die Einsiedler des Anninger. Roman. Europa Verlag, Wien, München, Zürich, 1978
Die Riesen vom Bisamberg. Roman. Europa Verlag, Wien, München, Zürich, 1979
Die verschollenen Dörfer. Roman. Europa Verlag, Wien, München, Zürich, 1980
Das Geheimnis der Wilis. Roman. Europa Verlag, Wien, München, Zürich, 1982
Verweile doch. Roman. Europa Verlag, Wien, München, Zürich, 1983
Shakespeares Hund. Gedichte. Grasl Verlag, Baden, 1983 (Lyrik aus Österreich 27)
Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Essays. Österreichischer Bundesverlag, Wien, 1984 (Ein Österreich-Thema aus dem Bundesverlag)
Hofräte, Revoluzzer, Hungerleider. 40 verschollene österreichische Literaten. Essays. Edition Atelier, Wien, 1990
Roman in fünf Sätzen. Betrachtungen zum Genre. Roman. Literaturedition NÖ, St. Pölten, 1993
Hexeneinmaleins. Roman. Verlag der österreichischen Staatsdruckerei, Wien, 1993 (Edition S)
Der Tod des Grafen Ortiz. Erzählung. Ed. Atelier, Wien, 1994
Velis Literaturzweifel / Velis Abschied. Literaturedition NÖ, St. Pölten, 1997
Velis Land. Gedichte. Grasl Verlag, Baden, 1998 (Lyrik aus Österreich 76)
Die Fälschungen der heiligen Bücher. Books on demand. Norderstedt, 2000
Erinnerungen eines Durchschnittsessers. Books on demand. Norderstedt, 2000
Die Verbrecherin Zeit. Books on demand. Norderstedt, 2001
Autobiographie meiner Epoche. Books on demand. Norderstedt, 2002
Hörspiele
Der byzantinische Demetrios. ORF Wien, 1969
Interview mit Orpheus. ORF Niederösterreich, 1976
Was die Schwester erzählte. ORF Burgenland, 1978
Das Geheimnis des Mithras-Kultes. ORF Oberösterreich, 1980
Füttern und gefüttert werden. ORF Burgenland, 1981
Preise
Förderungspreis d. Landes Niederösterreich für Literatur 1971
Preis des Wiener Kunstfonds für Literatur 1973
Preis der Stadt Wien für Publizistik 1974
Buchprämie (des Bundes) 1977, 1979, 1982
Würdigungspreis d. Landes Niederösterreich f. Literatur 1979
Ehrenmedaille der Stadt Wien in Silber 1983
Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 1986
Robert-Musil-Medaille 1987
Literaturpreis des NÖ Kulturforum 1998
Mitgliedschaften
IG Autorinnen Autoren, Österreichischer P.E.N. Club, Österreichischer Schriftstellerverband, Literaturkreis PODIUM
Der gute Mensch vom Rhein, Böll, der
Trümmerpoet, puritanischer Christ
und Verliereranwalt,
ehrlich und penetrant
und damit zu einem Praeceptor
Germaniae vorprogrammiert,
als Prediger und als
Kommentator ein Savonarola.
Die Ungerechtigkeit meines Hohns
liegt auf der Hand. Er hat
nichts bewirkt, aber angeblich
den Leuten die Krallen geschärft.
Lesen mag ich ihn nicht, sagte Veli,
aber vor meiner Achtung
kann ihn seit seinem Tod
nichts mehr bewahren.
*
Mein Zaddik hat mich verlassen,
sagte Levi, weit und breit
kein Guru, keine Bibelsprüche,
kein Gleichnis, das eine
schwankende Brücke zwischen mir
und dem Erlöser schlägt.
Die Rabbis haben sich verlaufen,
die Heiligen sind ausgestorben,
keine Märtyrer, nur Opfer
des Kapitalismus und
seiner sozialistischen Aussenstationen.
Führerlos. Das war Velis Land.
Allein in den Wäldern der
Kindheit, in den Buschwinkeln
der Flucht, geschützt von den
Sträuchern der einsamen Rast.
*
Die Flüsse hinab und die Alleen
entlang, aber zu Hause, sagte Veli,
war ich auf unseren Bauernstrassen
mit den schütteren Apfelmostbäumen.
Von Dorf zu Dorf, von
Hundegebell begleitet, den
Stallgeruch und den ersten Blütenduft
erschnuppernd, habe ich mir
die Wege eingeteilt, das ebene
Drittel, den Anstieg und
den Morast durch den Auwald.
Fünfminutenromane, Hymnen, Epen
und Elegien der Vergänglichkeit.
Ich habe zwischen Kirschenbaum
und den ersten Ställen alles
erlebt, was einem zustossen kann,
immer im Schatten des Schicksals,
aber dank meiner Beine und
einer Schotterstrasse mein eigener Herr,
auch in der Qual meiner
tausend Kinderängste.
*
A la Mommsen
wünschte Veli sich seinen Tod.
Bekanntlich traf den 86jährigen Historiker
in seiner Charlottenburger Villa
der Schlag, als er auf der
Bibliotheksleiter stand und
mit steif gewordener Hand
ein Buch aus dem Regal
ziehen wollte. Er glaubte,
den fehlenden vierten Band seiner
unvollendet gebliebenen Römischen Geschichte,
der immer wieder von ihm
eingefordert worden war, gefunden
zu haben und griff ins Leere.
*
Jetzt hast du so viel geschrieben,
gehört und gelesen, gespielt und gesungen,
wofür, fragte Veli, am Grab eines Freundes,
dein Körper vermodert, aber was ist aus deinem
Wissen, deinem Geschmack, deinen
tausend Empfindungsnuancen geworden?
Was hat der grosse Verschwender
da vorgesehen? Lässt er's verkommen?
Er lässt es verkommen.
*
Hans Heinz Hahnl - Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Nils Jensen. 64 Seiten, DIN A6, Euro 6,-. Podium (Podium Porträt 11), St. Pölten
- Wien 2003. ISBN 3-902054-21-2