Birgit Schwaner wurde 1960 in Frankenberg/Eder (D) geboren und lebt seit 1984 in Wien. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie Arbeit als Journalistin/Essayistin (Schwerpunkte: Literatur, Gegenwartskunst, Kulturgeschichte). Veröffentlichung von Literatur seit 1994, zunächst in Anthologien und Literaturzeitschriften (Freibord, Sterz, Podium), ab 2000 Hörspiele im ORF, ab 2007 Bücher. Mitglied bei: GAV, Galerie MAERZ, IG-Autoren, Literaturkreis „podium“. Verschiedene Preise und Stipendien. Einzelveröffentlichungen Literatur: Jackls Mondflug (2017), Polyphems Garten (2013), Held. Lady. Mops (2010), Lunarische Logbücher (2007). Sachbuch u.a.: Das jüdische Wien (2007), Das Wiener Kaffeehaus. Legende. Kultur. Atmosphäre (2007), Die Wittgensteins. Kunst und Kalkül (2008), Prinz Eugen. Portrait des Strategen als Kunstmäzen (2010).
LESEPROBE
Versuch mit Wörtern aus dem „Waldeck, Wagner & Benda“-Katalog
Irritation im Lederlack, nein
Mantelsack, mein Mäntelchen
das hab ich längst dahingehängt
wo Wind es streift, sonst
Hunger wär, da pendelt’s
munter Zipfelchen
und flattert manchmal sehr
wo Wind es greift und flittert
zerknittert, heißt’s immer noch
nicht nach, nur in den Wind
und überhaupt: die Wölfe heulen
laut ... Treibriemen angeworfen
(triebgereimt!) – na, flott ins
helle Rauschen ruf ich:
Ventilatoren an!
Der Lückenreim
Der neu erfundne Lückenreim
ist wirklich fein, die Löcher drin
ergeben Sinn, denn zu viel Leim
verkleistert dir, mal da mal hier
das Hirn, die Welt, selbst Knochenleim
wird schnell zu Schleim und was das Zelt
zusammenhält, das blöfft als Himmelstuch
vielleicht, mit draufgenähtem Sichelmond
im Sternenrund, ach, bleib gesund,
und drück die Lück schön auseinand’ –
bekannt bin ich nicht mit dem All,
doch Fall um Fall, da glaub ich dran
dass alles möglich ist, nur kaum,
wenn ich verlass den Sprachenraum
Nach Lektüre von Shakespeares Sonett 107
Was mir den Atem einklemmt: diese Angst
die Hand in Hand mit Furcht sich auf die Lungen legt,
zwei Flügel: flattern, rattern hohl
als frörs mir in der Brust, als wehte Zittern,
nem Windhauch gleich, in jenen leeren Raum
der sich in meinem Innern dehnt, und breitmacht,
höhnisch – was heißt schon „Innres“, pah!
Verbrauchte Luft, ein Häufchen Staub und welke Blätter
am Straßenrand; und auf der Fahrbahn rauschen sie vorbei
in Sätzen aus Metallgehäusen, Käfiggittern
dahinter kleine Herzen, wie Kanaris, zwitschern,
mal gelb, mal grün, ein jedes hilflos im zu kargen
Flaum, und einsam piepsen, dass ich, gäb es
dich nicht, verzweifeln wollt.
Spatzenorakel
Fällt ein Stern vom Himmel
in deine Hand, nenn es:
aus der Höhe verwirren.
Birgit Schwaner: Ausgewählte Gedichte. Hg: Erika Kronabitter. Vorwort: Ilse Kilic, 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (Podium Porträt 108) Wien 2020. ISBN
978-3-902886-55-2