Sylvia Treudl, 1959 geboren in Krems/NÖ; Studium in Wien, 1984 Promotion (Politikwissenschaft); ab 1985 Verlegerin und Herausgeberin im Wiener Frauenverlag; erste Veröffentlichungen von Lyrik und
Kurzprosa ab Mitte der 1980er. Im Rahmen der verlegerischen Tätigkeit (bis 1997 im Wiener Frauenverlag) folgte eine Vielzahl von Lesungen, Präsentationen und Anthologie-Zusammenstellungen – in
Summe an die 30 Anthologien (v.a. im Frauenverlag sowie in der Edition ARAMO).
1999 – nach der sozusagen folgenreichen Einladung zum ersten Festival Literatur & Wein (Schloss Gobelsburg) – führ¬ten intensive Gespräche mit Michael Stiller (einem der Gründer des
Festivals) zur Entwicklung einer Idee, die im Jahr 2000 als Unabhängiges Literaturhaus Niederösterreich umgesetzt wurde. Seither ist Sylvia Treudl Mitbetreiberin des Hauses, verantwortlich u.a.
für Textierung, Moderation und Repräsentanz. Neben Jurytätigkeit nach wie vor herausgeberische Arbeit sowie Rezensentin und Kolumnistin (Magazin Buchkultur), ab und zu Schreibworkshop-Leitung,
Vorstandsmitglied der IG Autorinnen/Autoren. Im Jahr 2000 Teilnahme am Projekt „Literaturexpress 2000“ – eine sechswöchige Reise mit 103 AutorenkollegInnen aus Europa quer durch Europa; als
Resultat – eine Art Reisetagebuch – liegt der Titel Zug um Zug vor.
Eigene literarische Einzeltitel
Sporenstiefel halbgar, Liebesgeschichten, Wiener Frauenverlag 1990
heimat, Lyrikzyklus in der bibliophilen Kassette „Die fremden Länder mein eigenes Leben“, herausgegeben von Barbara Neuwirth, Wiener Frauenverlag 1991
in wildem gleichmaß warmgelaufen, gedichte, herbstpresse 1992
Im schallenden Blau der Liebe, Erzählungen, Wiener Frauenverlag 1995
montagmorgen einer geliebten, gedichte, edition thurnhof 1995
Die Liebe ist ein grüner Waschtrog (gem. mit Barbara Neuwirth), Ironisches zum Thema Liebe, Wiener Frauenverlag 1996
scherbengericht, gedichte, edition thurnhof, 1998
Blues, Erzählungen, Milena Verlag 1999
Katze, Kobold, Kommissarin. Ein verrücktes halbes Jahr. Jugendroman, Reihe Lilla Gorilla im Buchklub der Jugend, 1999
windspiele, gedichte, herbstpresse 2001
Zug um Zug. Reisenotizen, Milena Verlag 2002
Zitat: Bachmann, Ingeborg; gemeinsam mit den Musikerinnen Cordula Bösze und Monika Drasch; Edition ARAMO 2003
BLICK.DICHTE; gemeinsam mit Beatrix Kramlovsky (Zeichnungen), Literaturedition NÖ 2018
Preise, Auszeichnungen (Auswahl)
1988 und 1993 Förderungspreis für Literatur des Theodor-Körner-Stiftungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst; 1989 Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für
Literatur; 1990 Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur; 1990 und 1992 Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst; 1991 Anerkennungspreis für Literatur der
Ernst-Koref-Stiftung Linz; 1991 Hans-Weigel-Literaturstipendium des Landes Niederösterreich; 1993 Förderungspreis der Stadt Wien für Literatur; 2000/2001 Staatsstipendium für Literatur
hutschenschleuderer
war da einer
mit zu langem haar
und abgewetztes leder
auch
nietengürtel, schultern ölig
breit und viel zu nackt
im unterhemd!
man denke!
herrscher über autodrom
und geilen lärm
halbstark, gefährlich, provokant
ein raubtier
dieser gang!
noch eine runde?
keine rede – ab nach hause
zum nachtmahl an den nierentisch
und daß du mir ja nicht allein!
schmale lippen, hühnerblick
war da einer
nannte sich: gianni
hieß in wahrheit: lenz
hießen ihn: gesindel, ruß und tagedieb
die sparbuchhalter
war da einer
trug lederbänder am gelenk
in schiefen stiefeln durch das knistergras
von einem langen sommer
und plötzlich riecht‘s nach
rosmarin und oleander
war da einer
sah aus, als wüßte er die welt
ging
noch bevor kastanien sich schälten
ließ ihr die lügen und die wut
und einen neuen duft
war da einer, der nicht galt
viele kastanienblüten später
mit einem leisen lächeln auf der haut
: war da einer
war gut.
*
meine alte zweite haut
die früher ein stier trug
mein schutz & schild & mein kostüm
ein kopfschmuck
(ohne federn)
& stiefel (ohne sporen)
& ein motor
der sich freut
ein kornfeld: tanzend
drei tannen: winkend
dazwischen fließt der asphalt: schneller
glück.
*
stadtmorgen : innen
an der morgenkante
: flanellunmut kleinkariert
dickbauch
tasse
milch flockt aus
sauer
der
noch unangepatzte tag
ein knie
kragt aus
: häßliches scharnier
aufrechten ganges
die sonne scheint
: du mich auch
sonne.
*
stein an der donau
ein frecher
ein freier
ein vogel
schepperstimme
keckerschnabel
oder doch nur
: ente, schlecht aufgezogen?
voller spott
jedenfalls
absichtsloser luftschaufler
himmelsstürmer
wer weiß
der jedenfalls
: keinesfalls
hinter
mauer rolltor sicherheitsschleuse
im frühling ist es hart
im sommer
zu weihnachten
the autumn leaves made you thinking
about the first time that you fell
waisted time
heißt die nummer
ich aber
finde an der flanke
der langen langen flanke
der ANSTALT
vogelfedern sonderzahl
als hätte einer
versucht
flügel zu basteln.
*
katholische jagd
nicht
der große böse böse
wolf
geiferte blutlefzen gier
: ein füchslein war‘s
verwirrt verängstigt jagdbedroht
sucht schutz im hause
dieses gottes
der auch der kreatur
die seele leiht
: so sagt man
im dämmer einer
sakristei
sucht er sein heil
ach roter freund
dreiecksgesichtchen
dein armes fell
wurd nicht geschossen
weil das im gotteshaus
nicht ziemt
man hat dich
kurzerhand erschlagen
in christlicher manier
die würde
einer kirch‘ gewahrt.
*
quantité négligeable im lyrikbetrieb
sinnend blickt der dichter
absichtsvoll
weg vom objektiv
& weil's so telegen
zupaß kommt
hängt ihm im maul
die pfeife etwas schief
wer solcher inszenierung
nicht bedarf
schreibt eher doch
das bessere gedicht
& zwingend reimen
muß er auch
nicht.
*
Sylvia Treudl: Ausgewählte Gedichte. Vorwort: Gerhard Ruiss. 64 Seiten, 1 Abb., Euro 6,-. Podium (podium porträt 100) Wien 2019. ISBN 978-3-902886-45-3